Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
2
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
Zieh fröhlich, wenn erschallt das igorn,
ein Sturm auf allen Wegen,
und wirf ein heißes blaues Korn
dein Räuber kühn entgegen.
Die Siegessaat, die Freiheitssaat,
wie herrlich wird sie sprießen!
Du Bauer sollst für solche Tat
die Ernten selbst genießen.
Du frommer, freier Bauernstand,
du liebster mir von allen,
dein Erbteil ist im deutschen Land
gar lieblich dir gefallen.
Max von Schcnkendorf.
2. Sprüche, Sprichwörter und Merkworte.
1. Mos. 3, 19: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein
Brot essen.
l.kön.4, 25: Sie wohnten sicher, ein jeglicher unter seinem
Weinstock und Feigenbaum.
Glückselig ist der Bauersmann, wenn er’s nur recht erkennen
kann.
Besser ein reicher Bauer, denn ein armer Edelmann.
Ein Ackermann — ein Wackermann. Ackerwerk — Wacker-
werk.
In jedem Lande ist der Pflug der erste Gläubiger, gegen
dessen Forderungen jede andere zurück tritt. (Burke.)
Vor allem sei du mir gepriesen, Ackerbaul In der Erde
Furchenwunden streuest du siebenfältig Leben. Da hebt sich das
Herz, da wächst der Geist. (B. Auerbach.)
Glückselig jener, der, entfernt dem Weltgeschäfte, sein Vater-
feld mit eignen Stieren wohl durchpflügt. (Horaz.)
Nicht der Stand ehrt den Mann, sondern der Mann den Stand.
Der eine dient mit Kunst, der andre mit den Waffen; doch
muß der Bauernstand uns allen Brot verschaffen.
Vom Bauernstand von unten aus
soll sich das neue Leben
in Adels Schloß und Bürgers Haus,
ein frischer Quell, erheben.
Doch eines, liebster, ältster Stand,
kann größres Lob dir schaffen:
Nie müßig hängen an der Wand
laß deine Bauernwaffen!
Der scharfe Speer, das gute Schwert
muß öfter dich begleiten,
um fröhlich für Gesetz und Herd
und für das Heil zu streiten.
3. Der deutsche Bauer.
Mit dem zähen Beharren des Bauern hängt ein mächtiges Selbst-
gefühl zusammen, ein stolzes Bewußtsein seines gesellschaftlichen
Wertes. Der unverfälschte Bauer schämt sich nicht, ein Bauer zu
sein; es liegt ihm im Gegenteil nahe, jeden andern zu unterschätzen.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Max_von_Schcnkendorf Max Burke
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
3
Der Bauer vom ecfjten Schrot und Korn beneidet beu vornehmen
Mann keineswegs. Die Geschichte weiß von Bauernaufruhr aller Art
zu berichten, wodurch der geplagte Landmann sein Geschick zu bessern
dachte; aber ein Streben der Bauern, aus ihrem Stand und Berus
herauszutreten, vornehme Leute werden zu wollen, den Pflug liegen
zu lassen, ein solches Streben ist bei den deutschen Bauern ganz un-
erhört. In den niederen Schichten der städtischen Gesellschaft beneidet
der Geringere den Höheren und möchte wohl in seine Stelle einrücken.
Der Fabrikarbeiter, der Handwerker wünscht nicht bloß seinen Arbeits-
verdienst erhöht, — das wünscht der Bauer auch, — er will aufhören,
Fabrikarbeiter, Handwerker zu sein; er möchte auch ein großer Herr-
werden. Der Bauer kennt diesen erbärmlichen Neid nicht; er ist noch
von dem edlen Stolze des Standesgeistes beseelt, den früher auch der
Handwerker besaß, und der ihn so ehrenwert und tüchtig erscheinen
ließ. Wird der Landmann von Leuten anderer Stände über die Achsel
angesehen, so ist er sofort mit dem schlagender: Satze zur Hand: „Wenn
wir Bauern nicht wären, dann hättet ihr nichts zu essen." Und bei
diesem Worte soll der Bauer stehen bleiben; es ist ein stolzes Wort,
daraus er sich schon etwas einbilden kann. Nach W. H. Riehl.
4. Der Ackerbau, eine Schule der Religiosität.
In dem Ackerbau erkennen wir die Grundlage aller bürgerlichen Ge-
selligkeit und Ordnung; in ihm die sicherste, wenn auch nicht immer die
reichste Quelle des Wohlstandes im Staat und in den Familien; in
ihm endlich eine vorzügliche Schule einer frommen, gottergebenen Ge-
sinnung, die wir unter dem schönen Namen der Religiosität begreifen.
Zwar der Ewige, dessen allmächtiges Wirken das ganze Weltall
durchdringt, hat sich keinem seiner vernünftigen Geschöpfe verborgen.
Ein geheimer Zug des Herzens führt zu ihm. Es will religiös sein,
ehe es weiß, daß es soll. Di» Vernunft selbst ist eine innere, lebendige
und unerschöpfliche Quelle seiner Erkenntnis; und der aufmerksame
Beobachter dessen, was ihn umgibt, hat nicht nötig, Landwirt zu sein
und den Pflug zu führen, um im Auftauchen der Sonne, im Steruen-
heer, das die Nacht durchschimmert, im Gewittersturm, in der Blume
des Feldes, in dem weisen Zusammenhang aller Dinge den zu schauen,
zu bewundern, anzubeten, den das Herz'so geheimnisvoll ahnet und
die Vernunft so unausweichbar erkennt. Allein es ist doch nicht zu
leugnen, llaß von den unzähligen Berufsarten und Geschäften, in welche
sich das bedürfnisreiche Geschlecht der Sterblichen teilt, das eine
weniger, das andere mehr von der Anschauung der großen, herrlichen
Natur und dem Andenken an ihren Urheber abzieht, und daß der
Landmann mehr als jeder andere in ihm festgehalten wird. Wohin
er das Auge wendet, wird er an den Schöpfer und Erhalter aller
Dinge, an den Allmächtigen, Allweisen, Allessegnenden erinnert und
seiner unsichtbaren Gegenwart nahe gestellt.
Ich würde die Zeit nicht finden, wenn ich alle Denkmale der All-
macht und Güte und Weisheit aufzählen wollte, die ihn in allen Tages-
i *
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
denn wer viel in den Bergen herumsteigt und viel auf die Berge
kraxelt, dem zieht die Sonne Stoppeln aus dem Gesichte, wie sie
Wasser zieht aus Fluß und See.
Richtig traf er auch einen, dessen Schild glänzte gar wunderbar
in der spielenden Sonne; in dessen Schaufenster stand ein feiner
Wachsherr mit Schnurrbartspitzen, und ob dessen Glastüre stand mit
goldigen Buchstaben, dick wie Knüppel: Frisier-Salon.
Also trat der gute Bauer ein, setzte sich in den nächstbesterl
Stuhl und wies sein Stoppelfeld, wie's alle machen, die mit geringer
Mühe zu einer glatten Haut kommen wollen.
Da kam er aber schön an.
Der Herr „Friseur" zwinkerte gar verächtlich mit den Augen-
lidern, schnäppelte seine Schere blitzgeschwind auf und zu, warf sich
in die Brust und sagte durch die Nase, wie er's bei etlichen Franzosen
gehört hatte:
„Hier ist ein Rasier-Salon, hier werden keine Bauern bedient."
Nun wäre ein anderer Bauer wohl „schiech" worden, wie's bei
den Tirolern üblich sein soll, und hätte sich, eines guten Anfangs
halber, in die Hände gespuckt.
Das tat aber der Bauer, von welchem ich erzähle, nicht, sondern
. er hob sich duldsam und friedfertig vom Sitze, nahm sein Filzhütlein
mit dem grünen Bande vom Tische, schwenkte es ein wenig und sagte
ganz artig:
„Danke schön für die Aufklärung; jollt' aber mein Adjutant
kommen und nach mir fragen, so seid so gut und sagt ihm, sein Herr,
der Erzherzog Johann, sei beim Bartputzer auf der andern Seite
drüben!"
Jetzt konnte der vornehme „Friseur" ein langes Gesicht machen.
I. Wichner.
6. Der Landwirt.
Glücklich ist der Fuß, welcher über weite Flächen des eigenen
Grundes schreitet; glücklich das Haupt, welches die Kraft der grünenden
Natur einem verständigen Willen zu unterwerfen weiß! Alles, was
den Menschen stark, gesund und gut macht, das ist dem Landwirt zu-
teil geworden. Sein Leben ist ein unaufhörlicher Kampf, ein endloser
Sieg. Ihm stählt die reine Gottesluft die Muskeln des Leibes; ihm
zwingt die uralte Ordnung der Natur auch die Gedanken zu geordnetem
Lauf. Er ist der Priester, welcher Beständigkeit, Zucht und Sitte,
die ersten Tugenden eines Volkes, zu hüten hat. Wenn andere Arten
nützlicher Tätigkeit veralten, die seine ist so ewig wie das Leben der
Erde; wenn andere Arbeit den Menschen in enge Mauern einschließt,
in die Tiefe der Erde oder zwischen die Holzplanken des Schiffes,
sein Blick hat nur zwei Grenzen: oben den blauen Himmel und unten
den festen Grund. Ihm wird die höchste Freude des Schaffens; denn
was sein Befehl von der Natur fordert, Pflanze und Tier, das wächst
unter seiner Hand zu eigenem, frohen Leben auf. Auch dem Städter
ist die grüne Saat und die goldige Halmfrucht des Feldes, das Rind
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Knüppel Johann Johann Wichner
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
6
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
auf der Weide und das galoppierende Füllen, Waldesgrün mid Wiesen-
duft eine Erquickung des Herzens; aber kräftiger, stolzer, edler ist das
Behagen des Mannes, der mit dem Bewußtsein über seine Flur
schreitet: dies ist alles mein; meine Kraft erschuf es, und mir ge-
reicht es zum Segen. Denn nicht in mühelosem Genuß betrachtet
er die Bilder, welche ihm die Natur entgegenhält. An jeden Blick
knüpft sich ein Wunsch, an jeden Eindruck ein Vorsatz, jedes Ding
hat für ihn einen Zweck; denn alles, das fruchtbare Feld, das Tier
und der Mensch, soll Neues schaffen nach seinem Willen, dem Willen
des Gebieters. Die tägliche Arbeit ist sein Genuß, und in diesem
Genusse wächst seine Kraft. — So lebt der Mann, welcher selbst
der arbeitsame Wirt feines Gutes ist.
Und dreimal glücklich der Herr eines Grundes, auf dem durch
mehrere Menscheualter ein starker Kampf gegen die rohen Launen der
Natur geführt ist. Die Pflugschar greift tief in den gereinigten
Boden; anspruchsvolle Kulturpflanzen breiten ihre Blätter in üppiger
Pracht; auf den Stengeln bräunen sich große Dolden und körnerreiche
Schoten, und unten in der Erde rundet sich mächtig die fleischige
Wurzel. Darm kommt die Zeit, in der sich die kunstvolle Judustrie auf
den Ackerschollen ansiedelt. Dann ziehen die abenteuerlichen Gestalten
der Maschinen nach dem Wirtschaftshof; der ungeheure Kupferkessel
fährt mit Blumen bekränzt heran; große Räder mit hundert Zähnen
drehen sich gehorsam im Kreise; lange Röhren verschlingen sich in
den neugebauten Räumen, und die mechanischen Gelenke bewegen sich
rastlos bei Tag und Nacht. Eine edle Industrie! Sie erblüht aus
der Kraft des Bodens und vergrößert wieder diese Kraft. Wo der
eigene Grund des Gutes seine Früchte der Fabrik reichlich spendet, da
arbeiten im Freien die uralte Pflugschar, im gemauerten Haus der
neue Dampfkessel brüderlich miteinander, um ihren Herrn reicher zu
machen, stattlicher und weiser. So lange er nur die alten Halmfrüchte
baute, die grüne Nahrung der Tiere und die runde Knollenfrucht,
waren die Preise auf dem nächsten Wochenmarkte vielleicht das, was
ihn in der fremden Welt am meisten interessierte, und wenn der
Bauer im Dorfe gegen ihn auftrumpfte, so war ihm das vielleicht der
größte Ärger, Und mit abschließendem Stolze sah er aus seinem
umgrenzten Kreise, wie in die blaue Ferne hinein, in das geschäftige
Treiben der großen Städte, in die verwickelten Verhältnisse, welche
durch eine neue Zeit geschaffen sind. Jetzt steht er selbst mitten
zwischen den Rädern des modernen Schaffens; er beobachtet viele
Strömungen des menschlichen Geistes auch außerhalb seiner Feldmark.
Viele Gesetze des Lebens lernt er kennen und viele Gedanken der
Menschen; er gewinnt einen andern Maßstab für den Wert des
Mannes, jetzt, wo er das Gewühl des Marktes, das Arbeitszimmer
des Gelehrten auch für sich braucht. Er knüpft seine Fäden an Leute
von anderem Berufe, und Fremde freuen sich, ihm die Hand zu reichen
und ihren Vorteil mit dem seinigen zu verbinden. Immer größer
werden die Kreise, in welche ihn sein Interesse zieht, immer mächtiger
der Einfluß, den er auf andere gewinnt.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
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Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
7
Neben dem ländlichen Tagelöhner baut ein neues Geschlecht
arbeitsamer Menschen seine Hütten auf den Ackerboden in jeder Ab-
stufung von Wissen und Bildung; allen kann er gerecht und allen
zum Heil werden. Jtt starker Zunahme wächst die Kraft seiner Land-
schaft; der Wert des Bodens steigt von Jahr zu Jahr; die lockende
Aufforderung zu größerem Erwerb treibt auch den zähen Bauer aus
dem Geleise alter Gewohnheit. Der schlechte Feldweg wird zur
Chaussee, der sumstfige Graben zum Kanal. Zwischen beit Getreide-
feldern fahren die Reihen der Frachtwagen entlang; auf wüsten
Stellen erheben sich die roten Dächer neuer Wohnungen; der Brief-
bote, der sonst nur zweimal in der Woche seine Ledertasche durch die
Fluren trug, erscheint jetzt alle Tage; sein Ranzen ist schwer von
Briefen und Zeitungen, und wenn er bei einem neuen Haus anhält,
um der jungen Frau, die mit ihrem Manne von fern zuzog, eine
Nachricht aus der Heimat zu bringen, da nimmt er dankend das
Glas Milch, das ihm die Erfreute an der Tür reicht, und erzählt ihr
eilig, wie lang ihm sonst der Weg von einem Dorf zum andern in
der heißen Sonne geworden. Dann erwacht auch die Begehrlichkeit,
die kindische Base jedes Fortschritts. Die Nadel des Schneiders hat
viel an neuen Stoffen zu nähen; zwischen den Banerhäusern stellt der
kleine Kaufmann seinen Kram auf; er legt seine Zitronen in das
Schaufenster, den Tabak in schönen Paketen und lockende Flaschen mit
silbernen Zetteln. Und die Schullehrer in den Dörfern klagen über
die Menge der Schüler; ein zweites Schulhaus wird gebaut, eine
höhere Klasse eingerichtet; in einem Schranke seiner Wohnstube legt
der Lehrer die erste Leihbibliothek an, und der Buchhändler in der
Stadt sendet ihm neue Bücher. — So wird das Leben des starken
Landwirts ein Segen für die Umgegend, für das ganze Land.
Wehe aber dem Landwirte, dem der Grund unter den Füßen
fremden Gewalten verfällt! Er ist verloren, wenn seine Arbeit nicht
mehr ausreicht, die Ansprüche zu befriedigen, welche andere Menschen
an ihn machen. Die Geister der Natur gönnen ihren Segen nur
dem, welcher ihnen frei und sicher gegenübersteht; sie empören sich,
wo sie Schwäche, Eile und halben Mut ahnen. Keine Arbeit wird
mehr zum Heil. Die gelbe Blüte der rllsaat und die blaue Blume
des Flachses vertrocknen ohne Frucht; Rost und Brand fallen über das
Getreide; in tödlichem Faulfieber schwindet der kleine Leib der Kar-
toffel; sie alle, so lange an Gehorsam gewöhnt, wissen so bitter jede
Nachlässigkeit zu strafen. Dann wird für den Herrn der tägliche Gang
durch die Felder ein täglicher Fluch; wenn die Lerche aus dem Roggen
aufsteigt, muß er denken, daß die Frucht schon auf dem Halme verkauft
ist; wenn das Gespann der Rinder den Klee nach den Ställen fährt,
weiß er, daß der Ertrag von Milch und Fleisch schon von fremden
Gläubigern gefordert ist, und er muß zweifeln, ob die Fruchtbarkeit,
welche seinem Acker durch das Wiederkäuen der eßlustigen Tiere im
nächsten Jahre kommen soll, noch ihm selbst zum Vorteil werden wird.
Finster, mürrisch, verzweifelt kehrt er nach dem Hofe zurück. Leicht
wird er dann seiner Wirtschaft und den Feldern fremd; er sucht jenseit
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit]]
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
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I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
9
Befindet euch wohl bei Wasser und Haferbrei; ich will es einmal mit
Wein und gebratenen Hühnern versuchen. Und meine schönen Kleider
passen sich besser zu einem Tanze mit schönen Ritterfräulein, als hinter
Pflug und Egge herzugehen." Noch ein Mittel versuchte der Vater,
den Sohn zurückzuhalten. Er erzählte ihm, wie er geträumt habe,
sein Sohn sei blind und verstümmelt aus der großen Welt zurück-
gekehrt und endlich an einem Baume aufgeknüpft worden, daß die Raben
ihm sein lockiges Haar zerzausten. Aber alles war umsonst; der Sohn
bestand auf seinem Sinn, und der Vater gab ihm endlich ein Roß,
auf deut der junge Helmbrecht stolz ltnb zuversichtlich in die Welt ritt.
Er kam zu einer Burg, deren Besitzer ohne Streit und Fehde
nicht leben konnte und streitbare Männer gern bei sich behielt.
Helmbrccht trat in seine Dienste und ward bald einer der verwegensten
und schlimmsten Gesellen, vor dem nichts sicher war. Nach einem
Jahre gedachte er seiner Eltern wieder einmal und machte sich auf,
sie zu besuchen. Große Freude hatten die Seinigen, als sie ihn
kommen sahen. Er aber tat, als ob er ein fremder Herr sei und
mengte in seine Rede bald französische, bald böhmische, bald nieder-
deutsche Brocken. Da sprach der Vater, das könne sein Sohn nicht
sein, und er wollte ihn nicht im Hause behalten. Weil es aber schon
spät war und Helmbrecht nirgend anders unterkommen konnte, gab er
sich endlich zu erkennen; doch nun wollte der Vater Beweise haben,
ob er auch sein Sohn sei, und er verlangte, daß ihm der Angekommene
die Namen der vier Ochsen nenne, die im Stalle standen. Das konnte
der Sohn, und nun ward er wohl empfangen. Er ward auf das beste
bewirtet, und auch ein gebratenes Huhn fehlte nicht ans dem Tische.
Auch ein Herr hätte mit solcher Mahlzeit wohl zufrieden sein dürfen.
Nach dem Essen fragte der Vater, wie es jetzt auf den Burgen der
Ritter zugehe, und er schilderte, wie es in seiner Jugend daselbst zu-
gegangen sei. Damals hätten die Ritter, erzählte er, mit allerlei
ritterlichen Spielen den Tag verbracht, und die Frauen hätten mit
Freuten zugesehen. Dann hätten sie gesungen und getanzt; ein Spiel-
mann habe die Geige gestrichen, und endlich habe man am Feuer des
Kamins allerlei alte Sagen, z. B. vom Herzog Ernst, erzählt oder
vorgelesen. Damals sei der Schlimmste wohl besser gewesen als jetzt
der Beste, da habe Recht und Gesetz gegolten; Treulose oder solche mit
üblen Sitten habe man nicht geduldet. Darauf lobte der Sohn das
Leben der jetzigen Ritter. Da trinke man den ganzen Tag und fahre
auf Raub ans, und es sei ein gar lustiges Leben. Wenn er nicht
von dem weiten Ritte gar zu ermüdet wäre und gern schlafen möchte,
könnte er wohl manchen lustigen Streich erzählen, den er selbst mit-
erlebt habe. Am andern Tage verteilte er die Geschenke, die er den
Seinigen mitgebracht hatte. Seinem Vater gab er einen guten Wetz-
stein, der Mutter einen schöner: Fuchspelz, der Schwester aber seidene
Bänder und einen gestickten Gürtel. Doch sagte er nicht, daß er alle
diese Sachen auf feinen Raubzügen erbeutet hatte.
Etliche Tage blieb Helmbrecht bei den Seinigen, dann aber ward
ihm die Zeit lang, und er sehnte sich nach der Gesellschaft feiner Raub-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
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Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
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Geschlecht (WdK): Jungen
10
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
gesellen. Als er sich wieder aufmachen wollte, machte ihm der Vater
wieder die eindringlichsten Vorstellungen, aber nichts konnte ihn zurück-
halten; er. war zu sehr schon an das Verbrechen gewöhnt. Mit un-
verhohlener Freude erzählte er von seinen und seiner Genossen Schand-
taten, wie sie selbst in bitterer Winterkälte den von ihnen Beraubtetl
kein Kleid auf dem Leibe gelassen, wie sie den Bauern Pferde, Ochsen
und Kühe aus den Höfen getrieben, wie er selbst einen Bauern in
einen Ameisenhaufen gebunden habe und andere Schandtaten mehr.
Da mahnte ihn der Vater noch eitrmal, sich vor dem Galgen zu hüten,
damit sein Traum nicht in Erfüllung gehe; der Sohn nahm aber
solche Rede so übel, daß er erklärte, er wolle nun auch seines Vaters
Gut nicht länger vor seinen Raubgesellen schützen. Auch erzählte er,
wie er vorgehabt, seine Schwester mit dem vornehmsten seiner Raub-
gesellen, der den Übernamen Lämmerschling führte, zu vermählen, das
wollte er aber nun unterlassen. Dann ritt er noch immer drohend
davon. Gotelind, Helmbrechts Schwester, hatte die Rede ihres Bruders
mit großer Freude gehört, denn sie war ebenso töricht wie er, und
hielt ein Leben, wie es der Bruder ihr geschildert, für besser als ein
Leben in treuer, ehrlicher Arbeit, und sie hatte daher ihren Bruder,
als er heimlich mit ihr davon gesprochen hatte, gebeten, dafür zu
sorgen, daß sie Lämmerschlings Weib werde.
Als Helmbrecht wieder bei seinen Genossen war, hörte man bald
wieder von allerlei schlimmen Taten. Witwen und Waisen wurden
beraubt, uni reiche Beute zu Lämmerschlings Hochzeit herbeizuschaffen.
Als aber alle Vorbereitungen getroffen waren, sanldte Helmbrecht einen
heimlichen Boten zu jeiner Schwester und ließ diese herbeiholen.
Gotelind und Lämmerschling wurden vermählt, und man setzte sich
zum Mahle nieder. Wie ausgelassen fröhlich bei demselben auch die
Gesellen waren, konnte Gotelind doch ein geheimes Grausen nicht
überwinden. Trübe Ahnungen beschlichen sie, und schon begann sie
in Gedanken zu bereuen, daß sie heimlich von Vater und Mutter ent-
wichen war. Nach dem Essen kamen Spielleute und spielten ihre
schönsten Stücklein auf. Dann gingen sie herum, die Gaben der Gäste
einzusammeln. Aber kaum hatten Bräutigam und Braut, als die
ersten, ihre Gabe auf den Teller gelegt, so erschien an der Tür des
Hochzeitgemaches der Richter mit etlichen starken Männern, und bald
waren die Räuber alle gefangen und mit starken Fesseln gebunden.
Gotelinden ward in dem Gedränge das Brautkleid zerrissen, und sie
floh voll Angst und Kummer hinter einen Zaun. Die Räuber wurden
zum Tode verurteilt und von dem Henker hingerichtet; dem zehnten
schenkte der Henker nach seinem alten Rechte das Leben, und dieser
zehnte war Helmbrecht. Doch wäre ihm der Tod besser gewesen, denn
der Henker strafte an ihm, daß er feine Eltern verachtet hatte; er stach
ihm die Augen aus und hieb ihm eine Hand ab.
Von einem Knaben ließ sich der blinde Helmbrecht nun in seines
Vaters Hans führen, und flehentlich bat er, ihn daselbst aufzunehmen.
Dem Vater brach fast das Herz entzwei, als er seinen Sohn so reden
hörte; aber er sprach: „Einen, den ich nie mit meinen Augen gesehen
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Helmbrechts_Schwester Hans
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
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habe, wollte ich lieber aufnehmen als dich. Wie trotzig zogst du in
die Welt! Da hat manches Herz um deinetwilletr geseufzt, und mancher
ehrliche Mann ist durch dich des Seinen beraubt worden. Gedenke an
meine Träume! Zum Teil sind sie schon eingetroffen, denn blind und
verstümmelt bist du heimgekehrt. Nun wird sich auch das Ende meines
Traumes erfüllen, und darum will ich dich nicht aufnehmen. Knecht,
schließe das Tor und stoße den Riegel vor!" Der Vater war ins Haus
gegangen. Die doppelt unglückliche Mutter, die au dem Unglücke ihres
Sohnes einen großen Teil der Schuld trug und den Unglücklichen nicht
in ihr Haus aufnehmen durste, holte ein Brot herbei und gab es
ihrem Kinde, dann ging der Blinde an der Hattd seines Führers
dahin; die Bauern aber riefen ihm nach: „Ja, Dieb Helmbrecht,
hättest du den Pflug zur Hand genommen, so brauchtest du jetzt
nicht den Blindenstecken zu tragen."
Ein Jahr lang litt der Blinde Not. Da ging er eines Morgens
durch einen Wald, in welchem Bauern Holz fällten. Als sie ihn sahen,
sprach der eine: „Da kommt der Blinde, der mir einst eine Kuh geraubt
hat." Ein anderer sprach: „Ich will ihn zerreißen in Stückchen, die
kleiner sind als Sonnenstäubchen, denn er hat mir und meinen Kindern
die Kleider vom Leibe gestohlen." Der dritte sprach: „Mir hat er
meine Hütte aufgebrochen und daraus genommen alles, was ich hatte."
Alle stürzten mit Geschrei auf Helmbrecht los. „Nimm deine schöne
Mütze in acht, mit der du so geprahlt hast!" riefen sie ihm höhnend
zu und fielen über ihn her und zerzausten ihm Haar und Mütze.
Endlich ließen sie ihn seine Beichte sprechen, dann hingen sie ihn an
einen Baum. So ging des Vaters Traum völlig in Erfüllung, zur
Warnung allen Kindern, die Vater und Mutter nicht achten wollen.
Alb. Richter nach Gust. Freytag.'
8. Schwert und Pflug.
1. Einst war ein Graf, so geht die Mär, der fühlte, daß er sterbe;
die beiden Söhne rief er her, zu teilen Hab' und Erbe.
2. Nach einem Pflug, nach einen: Schwert rief da der alte Degen;
das brachten ihm die Söhne wert. Da gab er seinen Segen:
3. „Mein erster Sohn, mein stärkster Sproß, du sollst das Schwert
behalten,
die Berge mit dem stolzen Schloß, und aller Ehren walten.
4. Doch dir, nicht minder liebes Kind, dir sei der Pflug gegeben
im Tal, wo stille Hütten sind, dort magst du friedlich leben."
5. So starb der lebensmüde Greis, als er sein Gut vergeben.
Die Söhne hielten sein Geheiß treu durch ihr ganzes Leben.
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Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
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I- Der Bauernstand sonst und jetzt.
voller Freiheit und Natürlichkeit wuchsen die Kinder auf. In freier
Luft und durch kalte Bäder wurden sie abgehärtet und frühzeitig in
den Waffen geübt. Ein größerer Sohn, nur mit einem Lendenschurz
bekleidet, hat die Waffeuübung eingestellt und springt dem Vater ent-
gegen. Eine Tochter lehnt sich an die Mutter. Die stunde be-
schnuppern den erlegten Bären, das Hauptstück der Jagdbeute.
Auch das Ingesinde hält in seiner Beschäftigung ein und schaut
nach den Jagdgesellen und der Jagdbeute. Da ist ein gekaufter oder
im Kriege erbeuteter Knecht mit geschorenem Haupte und in schlechter
Kleidung, er trügt Vorräte, z. B. Rettiche, in einen unterirdischen
Raum. Andere hüten draußen die Herden. Noch andere brechen das
Land um mit dem Hakenpfluge, einem gekrümmten Aststück mit fest-
gebundener Eisenspitze, oder roden den Wald durch Feuer aus. In
die Erde streuen sie den Samen. Nach der Ernte bleibt das Land als
Weide liegen; an Düngen denkt niemand. An der Handmühle auf
dem Hofe arbeitet eine in Schaffell gekleidete Magd. Durch einen
kreisenden Stein zerreibt sie in der Höhlung eines festliegenden Steines
die Getreidekörner. Andere weben und nähen. Alle Geräte des
Hauses werden durch das Ingesinde hergestellt. Über dasselbe führt
die Frau des Hauses die Aufsicht. Um Haus- und Feldarbeit kümmert
sich der Mann nicht. Traurig ist das Los der Alten. Müßig sitzen
sie in der Sonne oder im Winkel und erzählen den Enkeln von ver-
gangenen Zeiten.
Die Jäger ziehen zu lautem, frohem Gelage in die Halle. Die
Diele ist festgestampfter Lehm. Mitten brennt das Herdfeuer. Drüber
hängt ein Kessel an einem Seile. Der Rauch zieht durch eine Dach-
öffnung mit einer beweglichen Klappe, die zugleich das Fenster für
den halbdunklen Raum ist. An den Wänden sind hölzerne Bänke.
Nahe dem Herde ist der Hochsitz des Hausherrn. Auf roh gezimmerten
Tischen stehen die Speisen: Haferbrei, wildes Obst, Rettiche, Milch
und Butter, Wildbret mit Salz und Kräutern gewürzt usw. Ge-
füllte Trinkhörner vom Auerstier kreisen fleißig. Sänger singen
Heldenlieder. Jünglinge führen einen Schwertertanz aus. Das Würfel-
spiel beginnt und damit Lärm und Zank. Mancher verspielt Hab und
Gut, ja die Freiheit. Dem wüsten Gelage folgt eine lange Nachtruhe.
Eine erwünschte Abwechselung im Einerlei des Lebens ist es, wenn der
Heerpfeil von Gehöft zu Gehöft gesandt wird und die Mannen zu
Krieg nnb Streit ruft.
Fr. Polack, Geschichtsbilder (Gera, Theod. Hofmann).
11. Der Bauernstand in der Zeit Karls des Großen.
Die Kämpfe, welche die Deutschen im Dienste der Römer aus-
zilsechten hatten, brachtet: der Landwirtschaft manchen Fortschritt.
Unsere Vorfahren lernten in fernen Gegenden neue Nutzpflanzen und
neue Geräte kennen, die sie bei sich einführten. Jedes Dorf war bis
dahin im Besitze eines Waldes, einer Viehweide und eines Saatlandes
gewesen. Das Vieh sämtlicher Besitzer weidete zusammen.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
Hrsg.: Schreiber, B., Polack, Friedrich, Krämer, J. B., Rockstroh, J., Stier, K., ,
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Ländliche Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
I. Der Bauernstand sonst und jetzt.
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Schon um das Jahr 600 ::. Chr. war die Dreifelder-
wirtschaft vollstättdig ausgebildet. Das gepflügte Land eines Dorfes
war in drei Teile geteilt: in Winterfeld, Sommerfeld und Brachfeld.
Jeder dieser Teile wurde in soviel viereckige kleinere Stücke oder
Streifen geschnitten, wie besitzende Insassen im Dorfe waren. Jeder
Besitzer hatte also ursprünglich drei Ackerstücke, in jedem Teile einen.
Jeder Besitzer war auch genötigt, auf einem Stück dieselbe Saat zu
bringet: wie der Nachbar; denn nach der Ernte wurden die Äcker als
gemeinsame Viehweide benutzt. Diese Stücken mußten wieder geteilt
werden, wie die Nachkommenschaft sich vermehrte. Bei einigen Stämmen
erbten die Söhne zu gleichen Teilen, bei andern nur der älteste und
der jüngste Sohn zu gleichen Teilen, bei noch andern erhielt der älteste
Sohn das ganze Erbe. Die erblosen Söhne gingen wohl, zu Wander-
zügen vereint, in die Fremde. Bei der Einteilung der Felder eines
Dorfes und bei der Abgrenzung verschiedener Dörfer gegen einander
gab es oft blutige Kämpfe. Erbte ein Sohn den ganzen Besitz der
Familie, so war er verpflichtet, seine Geschwister, die nicht wehrhaft
wäret: oder es nicht sein wollten, gegen gewisse Dienstleistungen zu
erhalten.
Mit dem Völkersturm von Ostei: kam durch die Hunnen (375)
zu den Deutschen der Roggei:, der von nun an das Mehl zum
deutschen Schwarzbrote gab. Die nach der Schweiz vordringei:den
Stämme fanden dort den Dinkel weizen oder Spelt, der noch jetzt
in Süddeutschland angebaut wird, während die das heutige Frai:kreich
besiedelnden Franken dort den Weizen kennen lernten. Am Rhein
hatten die Römer den Weinstock verbreitet. Aus Italien hatte man
edle Obstsorten eingeführt, und auch in unsern: Lande fing die
Obstbaumzucht sich zu entwickeln an. Man lernte die Kunst des
Pfropfens, und allmählich entstanden neben den einzelnen Gehöften
umfriedigte Gartenanlagen; aber auch einzeln stehende Obstbäume
waren zu finden, und der Frevel an Obstbäumen wurde strenge be-
straft. In den Berichten aus jener Zeit werden neben den ursprünglich
vorhandenen Kulturpflanzen schon Rüben, Bohnen, Erbsen und Linsen
erwähnt. Der Ertrag der Äcker wurde da und dort durch Düngen
und Mergeln erhöht.
Noch waren die Wälder so groß, daß jeder nach Bedarf Brenn-
holz und Reisig holen durfte, aber Bauholz durfte nicht mehr beliebig
genommen werden. Als Ackergerät wird jetzt schon häufig der eiserne
Pflug erwähnt, ebenso der Räderpflug und die Walze. Sicheln,
Sensen, Hacke::, Äxte, Schaufeln und Dreschflegel waren in: Gebrauch.
Gegen früher hatte der Bauernhof bessere Gestalt gewonnen.
Es sind besondere Viehställe neben dem Wohnhause vorhanden. Das
Rind steht in weiten Bezirken in höherem Ansehen als das Pferd,
denn es ist nicht nur Zugtier, sondern es liefert auch Milch, woraus
schon in ältesten Zeiten Butter und Käse bereitet wurden. Auch für
das Getreideland in diesem Zeitabschnitt bereits besondere Räume vor-
handen, die Feime, Fimmen, Diemen oder Scheuern genannt werden.
Neben den Handmühlen sind seit dem 4. Jahrhundert auch Wasser-
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs]]